Die Rede der Kundgebung «Meinungsfreiheit ja – Rechtsradikale tolerieren und Gesundheitsschutz ignorieren – nein!»

Die Rede von Charis Kuntzemüller-Dimitrakoudis, Präsidentin und Elina Müller, Vizepräsidentin SP Kreuzlingen

Wir sind hier, weil wir für die Meinungsfreiheit und die Grundrechte aller einstehen. Unser aller Freiheit und unsere Grundrechte schützen können wir aber nur, wenn wir aufeinander Rücksicht nehmen. Dies gilt besonders in dieser für alle neuartigen Krise. Jede und Jeder ist von der Pandemie in irgendeiner Form betroffen. Viele Menschen trifft es hart. Auch schränken die Corona-Massnahmen ein, Existenzen sind bedroht. Verschiedenste Schicksale machen uns betroffen. Die staatlichen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie dürfen selbstverständlich kontrovers diskutiert werden.

Dabei dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren, dass es unser gemeinsames gesellschaftliches Interesse ist, nicht von dieser Pandemie überwältigt zu werden. Nur wenn wir die Pandemie im Griff haben, sind wir in der Lage, besonnen und demokratisch Entscheidungen zu treffen. Viele Krankheitsfälle, viele Schwerkranke, viele frühzeitig Verstorbene führen nicht nur zu grossem individuellem Leid, sondern auch zu einem Klima aus Misstrauen und Angst.

Und ja, es gibt Stimmen, welche Corona als weit weniger gefährlich einstufen, welche die allgemeine Vorsicht als Hysterie und folglich die Vorsichtsmassnahmen als unnötig oder gar schädlich empfinden. Auch diese Meinungen sollen sich Gehör verschaffen dürfen. Einige sorgen sich um unsere Grund- und Freiheitsrechte. Hier müssen wir die Entwicklung genau im Auge behalten. Genauso gilt es jedoch zu respektieren, dass die Mehrheit der Menschen andere Positionen als plausibler einschätzt; diejenigen, welche in der Epidemie eine reale Gefahr sehen und zu Vorsicht anraten. Abwägungen und Diskussionen sind notwendig und sinnvoll. Eine pauschale Verharmlosung der Krankheit aber muss sich für Menschen aus stark betroffenen Regionen wie blanker Hohn anhören.

Demokratie ist ein ständiges, nie endendes Aushandeln über Zielsetzungen, Priorisierungen und das richtige Vorgehen. Wer findet, dass die eigenen Anliegen im gesellschaftlichen und politischen Diskurs zu wenig beachtet werden, der oder die muss sich dafür einsetzen, ihnen Gehör zu verschaffen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich für seine Anliegen einzusetzen, aber es ist ein langwieriger, manchmal auch unfairer Prozess.

Viele aus der „Querdenker“-Bewegung nehmen einen einfacheren Weg. Sie behaupten, die einzige Wahrheit erkannt zu haben. Und weil diese ihre Wahrheit ihrer Meinung nach zu wenig Beachtung in Politik, Medien und Wissenschaft findet, tun sie sie pauschal als korrupt oder gar von geheimen Mächten gelenkt ab. Sie anerkennen nicht mehr, wie unterschiedlich und oft widersprüchlich die Wertvorstellungen und Anliegen der verschiedenen Menschen sind. Sie betrachten alle, welche nicht auf ihrer Linie liegen, als homogene Masse. Sie betrachten die Mehrheit der Bevölkerung als „Schlafschafe“ und sprechen ihnen damit ab, mündige Bürgerinnen und Bürger zu sein, fähig, ihren Teil zu demokratischen Entscheidungen beizutragen. Damit entfernen sie sich von den Grundsätzen der Demokratie.

In offiziellen Statements distanzieren sich die „Querdenker“ von extremistischem, menschenverachtendem und faschistischem Gedankengut, besonders seit den Demonstrationen vom 1. und 29. August in Berlin. Wir hoffen, dies sind nicht nur Lippenbekenntnisse und den „Querdenkern“ ist klar geworden, dass manche der ebenfalls gegen die Corona-Schutzmassnahmen Demonstrierenden nicht die Demokratie stärken wollen, sondern totalitäre Systeme anstreben. Wir bleiben vorerst skeptisch. Bisher konnte man eher den Eindruck gewinnen, nicht der Einsatz für Freiheit und Frieden ist das verbindende Element der Bewegung, sondern der grundsätzliche Widerstand gegenüber dem sogenannten „Mainstream“. Und dass es dann zweitrangig ist, wenn völkische oder rassistische Vorstellungen hinter der Kritik stehen.

Die parallelen, allgemein geduldeten Kundgebungen von extremistischen, antidemokratischen und rassistischen Gruppierungen an den Demonstrationen in Berlin, aber auch an früheren, kleineren Demonstrationen von Corona-Skeptikern sind der Hauptgrund für unsere heutige Gegenkundgebung. Keine klare Ablehnung solchen Bewegungen gegenüber zu zeigen, hiesse, sie zu tolerieren. Das tun wir nicht und deshalb sind wir hier. Wir akzeptieren nicht, dass sich im Schatten der Kritik an Corona-Schutzmassnahmen antidemokratische Ideologien in die Mitte der Bevölkerung drängen.

Kreuzlingen, Konstanz und die Umgebung begreifen wir als Region und solidarisieren uns darum mit dem Konstanzer Bündnis «Spread Love not Corona». Das Bündnis umfasst rund 40 Parteien und Zivilorganisationen.

Covid-19 ist eine weltweite Krise. Sie erfordert von uns allen Solidarität und Rücksicht. Nur gemeinsam können wir diese Herausforderung meistern.

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